Norway May 2006 / III
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Mo. 22.5. Im Zug zurück nach Oslo, etwas irritiert davon, daß mein Handy behauptet, kein Guthaben mehr zu haben, was nicht sein kann und auch nicht so ist. Später funktioniert es dann wieder. Mehr Wald und Felsen - wandern - wäre nicht schlecht gewesen, hätte man noch Stop in Egersund machen müssen, sehr schöne Gegend, naja, hinterher ist man immer schlauer.

Diesmal im Coch's ein ruhiges Zimmer nach hinten raus bekommen und definitiv besser geschlafen.

Di. 23.5. Mittags ins Munch-Museum, muß man ja auch mal gewesen sein. "Der Schrei" ist immer noch geklaut, aber eine ganze Reihe der ausgestellten Gemälde hatte ich noch nie gesehen. Für abends dann per SMS mit Vidar verabredet. Die Adresse hatte mir Mike Suburban gegeben, sehr nett. In der berühmten und winzigen Musik-Insider Bar Robinet neben dem Rockefeller treffe ich ihn und einen 1,90 Mann, der sich als Harry, Turbonegro's Sänger in der Zeit um 1992 herausstellt. Langes Interview, sehr ergiebiger Abend. Später kommt auch noch Vegard vom ersten Turbo-Lineup dazu. Sie waren einfach die lauteste Band damals: Ein Tzunami of Sound mit drei Gitarren!

Mi. 24.5. Eins muß man zwischendurch immer wieder machen, zumindest wenn man eine Wochenkarte hat: Fähre fahren. Z.B. zur Museumsinsel Bygdoy, die Museen dort (Wikingerschiff- u.a.) hatte ich mir schon beim letzten Besuch angesehen. Treffe Vidar zum Kaffee, dabei kommt zufällig Morton Anderson vorbei, langjähriger Fotograf für Turbo (b.B. das Hank plus Cobra-Foto), nett.

Nachmittags ins Blitz, besetztes Haus seit Anfang der 1980-er, draußen große Antifa- und Palästina-Gemälde. Drinnen ein großer Cafe und Konzertraum. Ein Kaffee kostet 5 statt gewöhnlich 20-25 Kronen, es gibt auch Essen. Im großen Raum sitzen einige selbstbewußte Mädels am Tisch, daneben einige Afrikaner, die hier sogar rauchen. Alles schwarz-rot angestrichen, einige revolutionäre Wandgemälde. Jede Menge Graphitis und Aufkleber. Im oberen Stock ist das Radio Oracle. Sehr junge Punkies hängen hier rum und einige junge Leute mit Kindern. Draußen auf der belebten Straße spielen einige Kid-Punks Hüpfkasten.

Auch in Norwegen ist Himmelfahrt ein Feiertag und somit der Abend vorher für Partytime. Hier fällt die Wahl schwer, in der relativ neuen Bardisco Amplifier (ehemals Rock Buttom / Grensen) ist Hell's Pit mit DJ Hank van Helvete angesagt, die nicht ganz unbekannten Augen guckten mich tags zuvor plötzlich von einem Plakat an, interessant. Paar Ecken weiter ist im Gamle eine Link-Wray Memo Show, mit den besten Gitarristen der Stadt plus "Überraschungs-Reunion-Gig einer bekannten Instrumentalband", nein, beim Lesen des Flyers war der Groschen noch nicht gefallen, daß mußten mir erst Harry und Vidar erzählen. War nämlich Euroboy's alte Band Kare & the Cavemen gemeint, der erste Gig seit 5 Jahren. Viel Rockabilly Publikum, und erstmal gabs einige Dokumentarfilme über Link Wray, Ausnahme-Gittarreros zwische Chuck Berry, Hendrix und den Ramones, England Mitte der 1990er. Dann eine halbstündige Ansprache eine Rock-Professors, alle hören brav zu. Haben einfach mehr Geduld und Grips als die Deutschen. Die erste Band aus Osloer Gitarrenprominenz mit diversen Gasteinlagen, die allesamt gut rockten. Umbaupause, Knut Euro schleppt seine Verstärker selber, es ist immer wieder frappierend, wie dünn dieser Mensch ist. Ich steh vor der Bühne und schließe Freundschaft mit der gesamten Verwandtschaft von Kave, dem Schlagzeuger. Kave & the Cavemen geben dann ordentlich Gas: Schlagzeug + Kongas + Keyboard + Bass + Euroboys Gitarre. Gelegentliche rhythmische Rufe, sonst instrumental. Das Publikum kocht und Knut Euroboy hat sie alle im Griff, zauberrockt mit Power und Feingefühl was das Zeug hält. Manch einem im Publikum klappt die Kinnlade runter, so aus 3 Meter intimer Clubentfrenung hab ich ihm auch noch nie auf die über die Saiten tanzenden Finger geguckt. Er durchlebt jeden, Ton, ist mit Körper und Mimitk völlig eins mit seinem Instrument ohne daß eine Sekunde ein "Guck-mal-was-ich-kann"-Effekt rüberkäme. Surfrock-Klassiker in mitreissender Interpretaton. Draußen vor der Tür treffe ich später Trogny, den Sänger von Amulet, Dann ins Amplifier, wo Hank Platten auf legt, diese mit einigen lustigen Sprüchen ansagt und auch mal mitten im Song den Sound runterdreht und die Kids zum mitsingen animiert - ganz wie auf der Bühne und entgegen sonstigen Disco-Gepflogenheiten in Oslo, wird mit erzählt. Heute ist nachts um drei noch überall auf den Straßen und in Clubs Party. Die Clubs sind auch alle - abgesehen von den Preisen im allgemeinen - ausgesprochen angenehm, genug Platz, bequeme Sitzgelegenheiten.

Do. 25.5. Feiertag. Nachmittags mit der S-Bahn bis zur Endstation Frognerseteren gefahren, 500 m üNN noch hinter der von überall sichtbaren Skischanze Holmenkollen. Super Ausblick über den Fjord direkt vom Bahnsteig aus, einen Kilometer hochgelaufen zum Fernsehturm, der aber geschlossen hat. An der Nordseite des Bergs große Skilifte und da liegt auch noch etwas Schnee vom Winter herum. Endlich mal Wald, jede Menge Blaubeersträucher. Die Wege sind allerdings total sumpfig, überall sowas wie Hochmoor, auf dem felsigen Grund fließt das Wasser nicht ab. Dann zu Fuß zurück zum Holmenkollen, schöner Weg, kleine Unterbrechung durch einen Hagelschauer, während unten am Fjord weiter die Sonne scheint. Komme zufällig an der hölzernen Holmenkollen Kapelle vorbei, die im Sommer 1992 von einigen Schwarz-Metallern angezündet worden war.

Dazu passend am Abend im Club Garage Konzert von Zyklon und She Said Destroy, Deathmetal. Relativ wenig los, mag wohl am Partytag davor liegen. She Said Destroy moshen ganz gut los, Zyklon mit Samooth und Trym von Emperor plus ebenso virtuosem Gitarristen und Bass/Gesang. Monsterschlagzeug. Die misanthropisch bis gesellschaftskritischen Texte schreibt Faust. Sie sind atemberaubend schnell, aber trotz aller Virtuosität will der Funke nicht so recht überspringen, nur die ersten drei Reihen moshen und haben hinterher nicht mal die Energie, nach Zugabe zu rufen. Mein Bekannter vom letzten Konzert und ich klatschten allein, das reichte wohl nicht. Oslo ist halt verwöhnt.

Am Nachmittag hatte ich mich mit Hakon Moslet vom NRK3 getroffen, der vor kurzem einen Vertrag als Autor einer authorisierten Band-Biographie über Turbonegro unterschrieben hat. Das Buch wird in norwegisch im Herbst 2007 erscheinen. Nettes Gespräch, und über Turbonegro und das kreativ-chaotisch-widersprüchliche Umfeld kann es sicher mehr als ein Buch geben. Apropos Bücher: in einem coolen Buchladen gibt es ein großes Regal mit Musikbüchern, tolle Sachen dabei. Sind halt alles gebildete Musikliebhaber.