Texte - Reportagen - Kurzgeschichten

geschrieben Frühjahr 2008


Leserbrief zur Kolumne "Humanismus geht anders"
von Herrn Buschlinger in der BUZE (Braunschweiger Uni Zeitung), Frühjahr 2008

Schön für Herrn Buschlinger, wenn er angesichts des immer noch vorhandenen Unrechts und Schwachsinns in der Welt gelassen bleibt. Als Angehöriger der Bildungsbürger-Mittelschicht ist das auch vergleichsweise einfach. Zumindest wenn man nicht allzusehr über den eigenen Tellerrand schaut. Eine redliche Argumentation sollte man von einem Dr. der Philosophie aber erwarten können.

Die FDP betet den neoliberalen Gott des Profits an - geschenkt. Die Grünen sind verbotswütige Gutmenschen - nunja, wird da nicht etwas zu viel pauschalisiert? Da müsste mensch doch die sehr unterschiedlichen Details grüner Politik anschauen.

Dann kommt Buschlingetr zu seinem eigentlichen Anliegen, der Abkanzelung von Michael Schmidt-Salomon und seiner Initiative für einen "Evolutionären Humanismus". Die Kritik richtet sich dabei nur auf die Form des entschiedenen Engagements gegen religiösen Wahnsinn und dessen Macht in der Gesellschaft. Als sei die Forderung nach einer Kindheit ohne mutwillige körperliche und psychische Verstümmelung etwas, was man gelassen auf ferne Zukunft verschieben könnte, wenn man überhaupt sich dafür interessiert.

Fakt ist: Religionen haben nach wie vor mehr als reichlich Macht in der Welt, seien es die konservativen Rechten in den USA, die in der islamische Welt weiter erstarkenden Fundamentalisten, die katholische Kirche um nur die krassesten zu nennen. Im Hochschulrat der TU BS sitzt ein (persönlich sicher sehr ehrenwerter) Religionsvertreter, in diversen einflussreichen politischen Ethik- und Mediengremien darf die Religion mitreden. Statt religiöse Gruppen als normale Vereine zu behandeln, geniessen sie als Lohn dafür, Menschen gegen die Vernunft zu indoktrinieren, reichlich finanzielle Vorteile und Unterstützung. Vor kurzem erhielten die "Zeugen Jehovas" den Kirchenstatus, eine Sekte, deren psychosenbildender Indoktrination ich mich in meiner Kindheit ausgesetzt war - ich hatte keine Wahl. Wenn mensch Bevölkerungsentwickung und ideologisch-religiöse Entwicklung hierzulande hochrechnet, haben wir möglicherweise in einige Jahrzehnten in den gesellschaftsrelevanten Gremien noch wesentlich unsympatischere Vertreter patriarchalen angstgeleiteten Schwachsinns (denn das sind alle monotheistischen Religionen).

Ich bin Richard Dawkins, dessen kürzlich in Deutsch erschienenes Buch "Der Gotteswahn" ich empfehlen kann, und Schmidt-Salomon sehr dankbar für ihren Mut, die Macht der Religion mit den Waffen der Kritik offensiv zu begegnen. Aufklärung und kritische Vernunft wurden in Jahrhunderten unter grossen Opfern erkämpft und in Teilen der Welt ansatzweise druchgesetzt. Aber gesichert ist persönliche Freiheit keineswegs.

"Es ist eine historisch unumstössliche Tatsache, dass die fundamentalsten Rechte (insbesondere die menschenrechte), die die GRundlage für eine moderne offene Gesellschaft bilden, keineswegs den Religionen entstammen, sondern vielmehr einem jahrhunderte währenden säkularen Emanzipationskampf gegen die Machtansprüche dieser Religionen durchgesetzt werden mussten" (Zitat aus: Michael Schmidt-Salomon, Manifest des evolutionären Humanismus, 2006).